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Engineers Without Borders in Haiti

Vor gut vier Jahren bin ich zur Hochschulgruppe “Engineers Without Borders – Karlsruhe Institute of Technology e.V.” gekommen. Ein gemeinnütziger Verein, der weltweit Entwicklungszusammenarbeit in den unterschiedlichsten Bereichen betreibt. Ich habe mich für das Projekt Beaumont – Haiti interessiert, weil ich Menschen helfen wollte, die unter Naturkatastrophen und politischer Instabilität in einem der ärmsten Länder der Welt leiden. In einem kleinen Bergdorf namens Beaumont, siedeln wir eine Schule und ein Waisenhaus um. Aufgrund der Verwüstung durch den Hurrikan Matthew und gleichzeitig auch dem Neubau der Nationalstraße, direkt vor dem alten Gelände, musste ein neues Domizil für die Schüler und Waisenkinder gebaut werden. Mit dieser Entscheidung wendete sich unsere haitianisch-deutsche Partnerorganisation Pwojè Men Kontre vor ungefähr sieben Jahren an uns. Und so kam eines zum anderen.

Wir schaffen durch den Bau sicherer Gebäude die Grundlage für den zuverlässigen Betrieb des Waisenhauses und der Schule. Wir konzipieren, planen und realisieren das gesamte neue Gelände, indem wir unsere im Studium erworbenen Fähigkeiten praktisch und nachhaltig einsetzen. Mit den entstehenden erdbeben- und sturm-sicheren Gebäuden sowie der geplanten Infrastruktur schaffen wir Waisenkindern ein sicheres Zuhause und Schulkindern einen Ort zum Lernen.

Wir wollen Kindern in Haiti Perspektiven schenken, die für jeden von uns selbstverständlich sind. Doch in Haiti bedeutet das nicht nur Zugang zu ausreichendem Trinkwasser, Licht in der Nacht und Bildung als Grundlage zu schaffen. Das bedeutet vor allem auch jedes Gebäude erdbeben- und hurrikansicher auszulegen. Ein Grundsatz für uns, um Nachhaltigkeit in diesem Land überhaupt erst möglich zu machen. Dadurch erhält diese Generation die Chance auf eine angemessene Bildung. Sie gestaltet letztendlich nicht nur ihre eigene Zukunft, sondern wird auch das gesamte Land aktiv weiterentwickeln können.

Von Deutschland aus planen, berechnen und diskutieren wir die unterschiedlichsten Möglichkeiten, Gebäude zu gestalten, die später von uns in Zusammenarbeit mit den Haitianern vor Ort realisiert werden. Seitdem das Projekt in 2014 entstand, wurde viel erreicht – mehrere Klassenzimmer, ein Waisenhaus, eine Kantine, eine multifunktionale Aula mit einer Solaranlage, sowie ein autarkes Abwassersystem wurden gebaut.

Ich bin 2017 zu Engineers Without Borders gekommen und habe seitdem Gebäude, Wasser- und Abwassersysteme entworfen und in CAD gezeichnet, während andere Vereinsmitglieder sie in Haiti implementiert haben. Vor kurzem hatte ich auch die Möglichkeit, an Bauphase 9 teilzunehmen und endlich selbst für sechs Wochen nach Haiti zu gehen. Unser Team hat zusammen mit den haitianischen Arbeitern ein neues Klassenzimmer gebaut und ein weiteres begonnen. Diesen Fortschritt möchte ich gerne mit euch allen teilen, denn er bedeutet mir sehr viel!

Bauphase 9 war die erste Bauphase seit 2019. Zuerst wurden aufgrund von Covid-19 alle Reisepläne weltweit verhindert und wir mussten die Bauarbeiten vor Ort einstellen. Aber auch andere politische Unfälle und ein Erdbeben mit der Stärke 7,3 erschütterten Haiti vor kurzem, wodurch die neunte Bauphase immer wieder zeitlich verschoben wurde. Weder das Team noch der Vorstand des Vereins konnten sicher wissen, wann und ob die diese überhaupt stattfinden kann. Doch alle Gegebenheiten wurden zur Kenntnis genommen und das Team hat sich mit der Lage im Land ausführlich auseinandergesetzt. Entsprechende zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wurden getroffen und endlich konnte das Reiseteam aufbrechen!

Nach unserer Ankunft nahmen wir schweren Herzens die Spuren des Erdbebens wahr, das im August das Land getroffen hat: viele Häuser sind stark beschädigt oder komplett zerstört, kaputte Infrastruktur, wie zum Beispiel verschüttete Straßen, erschweren die Landwege, die Baumaterialien fehlen oder sind nur schwer lieferbar. Zum Glück sind alle von EWB gebauten Gebäude bis auf minimale, statisch nicht relevante Schäden intakt geblieben. Die Geländebesichtigung des Waisenhauses und der Schule hat uns Gänsehaut bereitet, da wir mehr als zuvor realisiert haben, dass unsere Arbeit zur Errichtung von qualitativen erdbebensicheren Gebäuden nicht umsonst ist.

In der 9. Bauphase haben wir uns vorgenommen, zwei weitere Klassenräume zu errichten. Das war eine sportliche Aufgabe, vor allem unter dem Aspekt, dass die meisten von uns noch nie davor in Haiti waren und kaum Baustellenerfahrung hatten. Aber wir waren zuversichtlich und motiviert und haben uns gefreut, diese wichtige Arbeit endlich fortzusetzen.

In den ersten zwei Wochen lernten wir schnell, wie die verschiedensten Werkzeuge richtig einzusetzen sind: Sägen, Bohrer, Abbruchhammer, Rüttelplatte wurden täglich auf der Baustelle eingesetzt. Wichtige Techniken des Holzbaus wurden von uns gelernt und gemeistert. Ebenso wurden unsere Abläufe wie beim Rödeln der Bewehrungskörbe immer schneller und genauer. Aber wie auf jeder Baustelle, waren wir ständig mit Herausforderungen konfrontiert. Aufgrund des Benzinmangels stand kurzzeitig unsere erste Betonage auf der Kippe – ohne Treibstoff für die Rüttelplatte und Betonmischer konnten die Gräben für das Fundament weder eingeebnet noch das Fundament betoniert werden. Doch die rettende Hilfe kam gerade noch rechtzeitig von Hugo, unseren Partner und Baustofflieferanten, der uns 3 Gallonen Benzin besorgt hat.

Links: Rüttelplatte im Einsatz
Rechts: Bewehrungskörbe sind fertig

Die erste große Betonage starteten wir mit viel Freude und natürlich einer gesunden Portion Aufregung vor dem anstrengenden Tag. In der prallen Sonne haben wir zunächst mit drei Betonmischern gleichzeitig angefangen: 4 Eimer Kies, 2 Eimer Sand, 1 Sack Zement, Wasser rein – Beton raus, kontinuierlich ohne Unterbrechung. Doch wie es kommen musste, verlief nicht alles nach Plan: Eine Stunde nach Beginn der Betonage fällt der erste Betonmischer aus, Kugellager kaputt. Eine halbe Stunde später reißt der Keilriemen vom zweiten Betonmischer und etwa gleichzeitig fangen die Arbeiter an zu streiken. Doch nach Verhandlungen mit den Arbeitern und einigen Telefonaten, um kurzer Hand einen Keilriemen zu besorgen, konnte die Betonage doch noch mit vereinten Kräften gut zu Ende gebracht werden.

Die weiteren Betonagen von Sockel, Bodenplatte und dem zweiten Fundament liefen mit unserem eingespielten Team und einer guten Vorbereitung dann problemlos.

Foto: EWB, David Clement

An unseren freien Tagen haben wir die wunderschöne Landschaft und die herzliche Gastfreundschaft der Haitianer genossen und konnten uns von der anstrengenden Arbeit erholen. Zum Programm gehörte selbstverständlich auch, die Ausflugsziele in der Umgebung zu besuchen: Seien es die dunklen Höhlen im Tal oder die Berge, um die atemberaubende Aussicht zu genießen. Mit viel Glück und gutem Wetter kann man von dort sogar das Karibische Meer in der Ferne erkennen. Die Natur Haitis ist außergewöhnlich und faszinierend für das europäische Auge. Palmen und Lianen, Blumen unterschiedlicher Größen und Formen, sowie große bunte Schmetterlinge, riesige Spinnen, tropische Frösche, Schlangen, Kolibris und mehrfarbige Eidechsen werden noch lange in unserer Erinnerung bleiben.

Foto: EWB, David Clement
Foto: EWB, Tanja Zuppé

Die Sprachbarriere und unterschiedliche kulturelle Hintergründe waren mit der Zeit kein Hindernis mehr, um abends ein Bierchen mit Valleur (Direktor des Waisenhauses) zu trinken oder mit den Mädchen im Waisenhaus Nan Ginen Brettspiele zu spielen und neue Tanzbewegungen zu lernen. Wir haben auch eine gute Beziehung zu den Arbeitern aufgebaut, die uns auf unseren Ausflügen begleiteten. Immer wieder haben sie uns volle Kisten Maracujas, Guaven, Kokosnüsse und Orangen mitgebracht, was nach den anstrengenden Baustellentagen genau das richtige war.

Die letzte Woche auf der Baustelle war sehr produktiv, aber nicht einfach. Anders als bei vorherigen Bauphasen, die teilweise monatelang waren und in denen mehrere Teams einander abgelöst und die Arbeit der anderen fortgesetzt haben, bestand diese Bauphase aus nur einem Team, das den Klassenraum vom Anfang bis Ende bauen musste. Es war uns bewusst, dass es noch einiges bis zu der Abreise zu erledigen gibt, um das Haus fertigzustellen. Die Klassenräume werden hier gerade sehr gebraucht. Die Anzahl der Schüler steigt, sodass Unterricht zurzeit sogar im Essensbereich der Kantine durchgeführt wird. Auch in der Aula lernen immer zwei Klassen gleichzeitig, was wegen des Geräuschpendels keine optimale Lösung ist. Deswegen starteten wir mir Tatendrang in die finale Woche.

Nachdem die Wände des Klassenraums miteinander verstrebt wurden, mussten diese mit Holzlamellen verkleidet werden. Von außen sind die tragenden Bauteile nicht sichtbar, von innen ist das Fachwerk aber offen und wird bald von den Lehrern und Schulkindern als Regale benutzt. Die Dachbinder wurden fast ausschließlich durch unsere Haitianische Helfer Stanley und Jean Vanex fertiggestellt und auf das Dach aufgestellt. Diese mussten mit Windverbänden ausgesteift werden – essentiell für die Tragfähigkeit des Dachstuhls. Mittlerweile können Stanley und Vanex gut mit Holz arbeiten, was selten für Haitianische Arbeiter ist. Wir haben mit ihnen einige Schulungen zur Bedienung unterschiedlicher Sägen und anderem Werkzeug, das man bei der Holzbearbeitung verwendet, durchgeführt und sind gemeinsam alle Dachstuhlpläne genau durchgegangen. Unsere haitianischen Freunde haben mit viel Interesse und Motivation die neuen Aufgaben erledigt – zuerst langsam und unsicher, aber mit der Zeit immer schneller und genauer, bis alle Dachbinder aufgestellt und befestigt waren.

Auch hier im sonnigen Haiti sind deutsche Traditionen nicht in Vergessenheit geraten: nach der Fertigstellung der Holzkonstruktion haben wir ein kleines Richtfest mit dem guten haitianischen Rum gefeiert. Es war atemberaubend, den ersten Sonnenuntergang vom frisch gebauten Dach anzuschauen, denn der Ausblick von da oben ist einfach der Wahnsinn!

Nun mussten die Lattung und das Blech an das Dach angebracht werden. Aber wieder läuft alles nicht nach dem Plan: zwei Tage lang gab es starke Gewitter und Schauer.

Auf dem rutschigen Blech bei diesem Wetter zu arbeiten war gefährlich. Sehnsüchtig hat das Team auf die Sonne gewartet – und dann kam sie. Wieder wurde es auf der Baustelle tagelang genagelt und geschraubt, das Haus nahm seine endgültige Form an. Nachdem die Fensterläden und die Tür montiert werden und der Estrich gegossen wird, kann man das Gebäude nutzen.

Auch während des Regens hatten wir keine Zeit zu faulenzen. Einige Reparaturen in den Duschen des Mädchenwohnhauses wurden durchgeführt, der Werkzeugcontainer aufgeräumt und das vorhandene Material für die nächsten Teams sorgfältig durchgezählt. Zusätzliche Schulungen zur Wartung des PAUL-Wasserfilters, sowie zur Instandhaltung von den Batterien der Photovoltaikanlage wurden mit den Hausmeistern der Schule durchgeführt, um die Langlebigkeit der Strom- und Frischwasserversorgung sicherzustellen.

Für den zweiten Klassenraum wurden die Mauersteine vorbereitet. Die Bauleitung des Hochbaus dieses Klassenraums wird nach unserer Abreise von unseren Freunden vor Ort, Stanley und Jean Vanex, übernommen.

Kurz vor unserer Abreise wurden wir von Valleur in die Kirche und anschließend zum Essen eingeladen, wo wir katholische Traditionen Haitis erleben konnten. Während es in Europa in den katholischen Messen über unsere Sünden melancholisch gepredigt wird, herrscht hier eine viel fröhlichere Stimmung mit Gesang, der leicht mit der entspannenden Strandmusik zu verwechseln ist, wenn man den Text nicht versteht. Nach der Messe hatten wir die Möglichkeit, den Bischof Joseph Gontran Decoste kennenzulernen. Er erzählte viel über seine Reisen nach Deutschland, darüber, wie ihn die Schönheit des Kölner Doms beeindruckt hat und über die Zusammenarbeit mit deutschen katholischen Vereinen, die schon seit 60 Jahre Haiti unterstützen. Er war sehr interessiert an unserer Arbeit und hat uns sogar zum Besuch nach Les Cayes eingeladen. Der Austausch mit diesem netten und geerdeten Mann war sehr interessant und inspirierend – wir sind neidisch auf die nächsten Reiseteams, die sein Angebot wahrnehmen können.

Mit schwerem Herzen und nicht ohne Träne haben wir uns von den Waisenkindern verabschiedet. In der Zeit, die wir in dem Waisenhaus Nan Ginen gelebt haben, haben wir uns sehr an sie gewöhnt. Auch wenn wir nur mit Händen und Füßen kommunizieren konnten, hat es so viel Spaß gemacht, abends zusammen zu spielen und zu tanzen, sie beim Singen zuzuhören. Tanz und Lächeln sind internationale Sprachen, trotzdem haben wir mehrmals bereut, dass wir Kreol vor der Reise nicht besser gelernt haben, um tiefere Gespräche führen zu können.

Plötzlich kam der Tag der Abreise – sechs Wochen sind wie im Flug vergangen. Unsere Koffer sind voll mit Bernardette‘s (unsere Köchin) hausgemachter Marmelade und unsere Herzen mit Stolz auf die erbrachten Leistungen und mit den schönsten sonnigen Erinnerungen, die uns im kalten regnerischen Deutschland den ganzen Winter wärmen werden.

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Klimabänderaktion

Am 11. September radeln Tausende Klimaaktivist:innen aus mehreren Richtungen in Berlin ein. Sie bringen Klimabänder aus verschiedenen Städten Deutschlands zum großen Finale der bundesweiten Klimabänderaktion. Diese werden beim Festival der Zukunft auf dem Washingtonplatz medienwirksam öffentlich ausgehängt und werden dort wochenlang als Stimmen des Volkes wehen. Die Welt von morgen wird erlebbar gemacht.

Demonstration in Berlin. Foto: klimabaender.de
Foto: Ulrike Bubenzer

Initiiert von Omas for Future, bringt dieses Projekt das Thema Klima und Umwelt auf die Straße. Besonders vor den Bundestagswahlen ist es wichtig die politischen Weichen für die nächsten Jahre gemeinsam zu stellen, denn die nächsten 2-3 Jahre sind für unsere Erde entscheidend, um bis 2045 klimaneutral zu sein.

Hinter der Aktion Klimabänder steht ein diverses Team an Aktivist:innen, Vernetzer:innen, Koordinator:innen, Designer:innen, Programmierer:innen und Kommunikator:innen. Sie lebt von allen, die das Projekt unterstützen. Denjenigen, die Sammelstellen organisieren, den vielen Aktionen bei denen gesammelt wird sowie den vielen Akteuren, die sich in Berlin für das Festival der Zukunft vernetzen. Im Mittelpunkt stehen aber alle Bürger:innen, die in verschiedenen Städten Deutschlands auf bunten Bänder Ihre Wünsche und Forderungen an die Politik festgehalten haben.

Auch in Karlsruhe wurden Dutzende Wünsche gesammelt – auf dem Schlossplatz und auf den Wochenmärkten haben die Bürger:innen, denen das Thema Klima und Umwelt am Herzen liegt, bunte Bänder ausgefüllt. Wir haben mit Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Geschlechter und Nationen Gespräche geführt, unsere Erfahrungen, Meinungen und Sorgen ausgetauscht, über eine bessere Zukunft und die Wege, die dorthin führen, gemeinsam nachgedacht. Ihre Stimmen wurden auf bunten Stoffbändern sichtbar gemacht – und befinden sich jetzt auf dem Weg nach Berlin. Dabei wurde kein Material verschwendet – die Bänder wurden aus dem alten gebrauchten Stoff geschnitten.

Klimabänderaktion vor dem Bundesverfassungsgericht
Klimabänderaktion auf dem Gutenbergplatz

Am meisten haben sich Karlsruher Bürger:innen, besonders Student:innen, einen besseren Ausbau der Radwege gewünscht, was im Kontext dieser Stadt sehr sinnvoll erscheint – da viele Menschen sich auf die Fertigstellung der U-Bahn und Entlastung der Straßen freuen. Ebenso wichtig war für die Befragten die stärkere Förderung erneuerbarer Energien, der Abbau klimaschädlicher Subventionen, die Schließung der Kohlekraftwerke (Karlsruhe spezifisch des umstrittenen RDK7) und ein Ausstieg aus dem Projekt Nord Stream 2. Manche haben sich mit ihrem Klimaband für mehr Biodiversität, Artenschutz und weniger Autos und Müll eingesetzt. Und ein paar Menschen haben die Ausbeutung der Ressourcen und Menschen durch große Konzerne kritisiert.

Nun ist es die Zeit für politisches Handeln, keine leeren Versprechen. Zeigt Haltung, kommt zahlreich zum Klimastreik und zieht die Regierung zur Rechenschaft. Wenn nicht wir, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann? Wir haben keine Zeit zu verlieren – Klimakrise steht vor der Tür und es ist unsere Pflicht, uns für nachhaltige Veränderungen einzusetzen.

P.S. Vielen Dank an Klimacamp Karlsruhe und Parents for Future für die Unterstützung der Aktion.

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Reisen

Das Erbe der Khmer

Nacht. Hitze. Von angenehmer Aufregung überwältigt, ziehe ich meinen Koffer durch die überfüllten Straßen Bangkoks in Richtung der Busagentur, denn ich weiß – die nächste Morgendämmerung werde ich im für mich neuen, interessanten und mysteriösen Kambodscha erleben. Während ich auf den Bus warte, bemerke ich eine Gruppe junger Leute, die anscheinend gerade die Schule beendet haben. An ihren Akzenten war klar, dass sie aus der ganzen Welt hierher kamen. Es fiel mir einfach, mich ihnen zu nähern und sie kennenzulernen – allein reisend segelt man unwillkürlich entlang unvergesslicher Strömungen und trifft unterwegs interessante und so unterschiedliche Menschen. Wir haben lange geredet und verschiedene Spiele gespielt, bis unser Bus ankam. Und wie cool er war! Die Sitze sind breit, bequem, mit umklappbaren Lehnen, wo man schlafen könnte – ein solcher Transport ist in Asien sehr verbreitet. Ein paar Stunden vergingen unbemerkt, es begann zu dämmern, und hier sind wir an der Grenze zweier Länder. Wir wurden aus dem Bus geholt, weil wir die Grenze zu Fuß überqueren mussten. Nach einer Reihe verschiedener Verfahren und Papierkram habe ich endlich kambodschanischen Boden betreten.

Was ich sah, überraschte mich sehr. Das Grenzgebiet selbst war wie ein überfüllter Basar – Händler riefen hinter den Schaltern unter den Gebäuden von Hotels und Casinos Preise, während Reisende versuchten, ihre Fahrzeuge zu finden. Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit fielen mir sofort ins Auge. Obdachlose saßen an den Straßenrändern und bettelten um Almosen, und erschöpfte, schmutzige Frauen mit Babys auf dem Arm wanderten durch die Menge. Und es waren so viele, dass ich mich hilflos und unbedeutend fühlte, denn selbst als ich einen armen Mann gefüttert hatte, wurde mir klar, dass ich Hunderten von anderen nicht helfen konnte.

Als ich meinen Bus fand und es mir wieder gemütlich machte, dachte ich nur daran, wie viel Glück ich hatte, in einem wohlhabenden Land geboren zu sein, ein Dach über dem Kopf und Essen im Kühlschrank zu haben, und sogar Hygieneartikel kaufen zu können.

Wir zogen weiter und kamen bald in Siam Reap an, wo ich drei ereignisvolle Tage verbrachte. Der Grund für diese Reise war mein Traum, Angkor zu sehen – die alte Hauptstadt des Khmer-Reiches, deren Ruinen sich in der Nähe dieser Stadt befinden. Aber davon erzähle ich später.

Nachdem ich mich von meinen neuen Bekanntschaften verabschiedete, ging ich zum Treffen mit meinem Gastgeber, den ich auf der Couchsurfing-Seite gefunden hatte. Ich bin an meinem Ziel angekommen – einer Grundschule, ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt. Hier waren keine Touristen zu sehen, daher war ich, eine Blondine mit europäischem Aussehen und blauem Koffer, ganz auffällig zwischen den Einheimischen. Ich wartete mehr als eine Stunde auf meinen Gastgeber, hatte also Zeit, die Leute zu beobachten, und ich bemerkte eine sehr seltsame Sache: Alle Frauen, die mich sahen, waren glücklich und lächelten, die Kinder winkten mir fröhlich zu, während die Männer die Stirn runzelten und böse Blicke auf mich warfen. Ich verstehe immer noch nicht, was sie zu einer solchen Reaktion geführt hat. (Wenn jemand Vermutungen oder Erklärungen hat – bitte in den Kommentaren teilen!)

In der Schule hinter mir läutete eine Glocke, die das Ende des Unterrichts ankündigte, und eine laute Menge Kinder, etwa 8-10 Jahre alt, strömte in den Hof. Ich traute meinen Augen nicht, aber die meisten stiegen auf ihre Mopeds und fuhren selbstbewusst nach Hause. Ich war schockiert! Kleine Kinder. Auf Mopeds.

Nach zwei Stunden hatte ich es satt, auf den Gastgeber zu warten, der nicht einmal auf meine Nachrichten reagierte, also fand ich im Internet schnell ein Hostel im Herzen der Stadt mit Pool und Partys rund um die Uhr für nur $ 3 eine Nacht. Aber schade! Ich war so weit vom Zentrum entfernt und öffentliche Verkehrsmittel waren nirgendwo zu sehen. Zum Glück bin ich unterwegs auf ein Tuk-Tuk gestoßen, sodass ich nicht drei Kilometer auf dem heißen Asphalt unter der tropischen Sonne laufen musste. Der Fahrer fuhr mich zur Tür des Hostels, wo ich laute Musik und Gelächter hörte. Zum Glück gab es für mich ein freies Bett in einem Zimmer mit 19 Personen. Nach einem anstrengenden Weg habe ich nur von einem Pool geträumt! Bevor ich also in die Stadt ging, erholte ich mich gut, schwamm und lernte viele fröhliche junge Leute aus der ganzen Welt kennen, die auch hier blieben. Wie Sie sehen, bedeutet allein reisen nicht, einsam zu sein.

Ich war begierig darauf, die Stadt zu sehen, also ging ich ohne Verzögerung spazieren. Obwohl Kambodscha ein der ärmsten Länder der Welt ist, war es eine große Freude, durch seine Straßen zu schlendern. Ja, die Straßen und Gehwege waren holprig, die Häuser waren nicht im besten Zustand, die Stromkabelknoten an den vielen Masten sahen unansehnlich aus, aber es gab so viel Grün, dass es der Stadt einen besonderen Charme verlieh. Ich habe noch nie so bunte Blumen in verschiedenen Formen und Größen gesehen, daher fühlte ich mich wie in einem Paradiesgarten. Darüber hinaus haben buddhistische und hinduistische Tempel mit ihren goldenen Kuppeln und Ornamenten dieses Gefühl nur noch verstärkt. Auch jetzt, während ich diesen Artikel schreibe, werde ich von Emotionen überwältigt, die ich nur schwer beschreiben kann. Ich erinnere mich an die Mönche in ihren orangefarbenen Gewändern, die im Innenhof des Tempels im Schatten blühender Bäume ruhten. Straßenhunde und Katzen saßen friedlich neben ihnen, und Kätzchen sprangen auf den Bäumen. Es war sehr berührend – die Türen des Tempels stehen allen Lebewesen offen. Persönlich habe ich von dort so viel Seelenfrieden und Ruhe mitgebracht, wie mir selbst das Meer nie gegeben hat. Übrigens, wie viele Kätzchen sind auf diesem Foto zu sehen?

Am Abend erwachen die Straßen von Siam zum Leben. Bars und Cafés sind voller Menschen – Einheimische und Touristen. Wenn Sie in diese Stadt kommen und Spaß haben möchten, empfehle ich Ihnen, die berühmte Pub Street zu besuchen. Seien Sie nicht überrascht, wenn Taxifahrer Ihnen anbieten, Drogen von ihnen zu kaufen – sie versuchen auf verschiedene Weisen Geld durch Touristen zu verdienen, aber denken Sie daran – kambodschanische Gesetze verbieten den Verkauf und den Konsum von Drogen streng.

Nachdem ich viel gelaufen war, kehrte ich zum Hostel zurück. Nach einem kleinen Plausch und einem Bad im Pool ging ich früh ins Bett, denn am nächsten Tag hatte ich ein langes und reiches Programm. Obwohl ich es sehr genossen habe, mit jungen Leuten und Non-Stop-Partys in einem Hostel zu leben, war das Aufbleiben bis zum Morgen nicht meine Priorität, da ich das kulturelle Erbe sehen wollte.

Liebe Leserinnen und Leser, wenn unter Ihnen auch Frauen sind, die gerne alleine reisen oder beabsichtigen, alleine zu reisen, dann möchte ich Ihnen raten vorsichtig zu sein. Es wird immer viele Männer in einem Hostel, einer Party oder einem Café geben, die versuchen werden, Sie betrunken und bereit für Sex zu machen, vielleicht sogar anbieten, sie zu heiraten. Vergessen Sie nie, dass Sie, Ihre körperliche und geistige Gesundheit, Ihre Wünsche oder Ihr Unwillen höchste Priorität haben. Erliegen Sie solchen Provokationen nicht, nur weil “sie etwas wollen und es Ihnen unangenehm ist, dies abzulehnen”. Seien Sie in der Lage, nein zu sagen, gehen Sie von dem unerwünschten Begleiter weg und stehen Sie für sich selbst ein.

So, endlich war der Morgen da. Die lang ersehnte Reise. Es war drei Uhr morgens, aber Tausende von Touristen hatten sich bereits unter den Mauern von Angkor versammelt. Ich war nicht überrascht, schließlich ist dies die ehemalige Hauptstadt des Khmer-Reiches, die größte Stadt ihrer Zeit. Bereits vor 2000 Jahren waren diese Gebiete dicht besiedelt und technisch fortgeschritten. Der gesamte Komplex umfasst eine Fläche von ca. 200 km² und zeichnet sich durch die geometrische Struktur des Grundrisses und die Harmonie der Komposition aus. Insgesamt gibt es etwa 100 mehrstöckige Paläste und Tempel, die ohne Zement oder andere Bindemittel gebaut wurden. Die Steinblöcke sind nach dem Prinzip eines Schlosses verbunden. Zahlreiche Türme, verziert mit Inschriften und meisterhaften Schnitzereien, lassen die an europäische Architektur und Kunst gewöhnten Besucher:innen nicht gleichgültig.

Dies ist nicht das Ende meiner Bekanntschaft mit der Kultur Kambodschas. Meiner Tradition folgend habe ich hier ein Theater gefunden, wo zu der Zeit eine großartige Aufführung über die Geschichte dieser Region lief. Die Vielfalt an bunten Kostümen, Masken und Dekorationen sowie die Anzahl und die Fähigkeiten der Darsteller:innen waren atemberaubend. Aber die Ereignisse, die sie auf der Bühne zum Leben erweckten, waren traurig. Viele Umwälzungen, Kriege und Krisen erlebte das kambodschanische Volk: das starke und einzigartige Khmer-Königreich wurde aufgrund endloser Klassenkämpfe und Invasionen zu einem Vasallen des siamesischen Reiches. Es folgten französische Kolonisation, Terror der Roten Khmer, Völkermord, bewaffnete Konflikte, Armut und Verwüstung. Die Folgen dieser Ereignisse wirken sich weiterhin negativ auf die Wirtschaft und die Gesellschaftsordnung des Landes aus.

Und wieder wurde mir klar, dass wir tatsächlich so viel haben und es nicht schätzen. Wir streiten uns und versuchen, Fehler in allem zu finden. Aber tatsächlich: tägliches Essen und die Verfügbarkeit einer Wohnung, sauberen Leitungswassers, die Möglichkeit zu studieren – das sind Gründe zur Freude. Ich weiß, das ist kaum zu glauben, aber Milliarden(!) von Menschen auf unserer Welt haben solche Privilegien nicht. Und diejenigen, die sogar einen friedlichen Himmel über dem Kopf und eine stabile Situation im Land haben, haben den Jackpot in der Lotterie namens Leben gewonnen.

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Nord Stream 2 stoppen!

Die Nord Stream, auch Ostsee-Pipeline, ist ein System von Unterwasser-Gasleitungen, die von Russland nach Deutschland verlaufen. Die ersten beiden Stränge der Pipeline (Nord Stream 1) wurden im November 2011 eingeweiht und verlaufen von Wyborg nach Lubmin bei Greifswald. Das zeitlich darauf folgende, ähnliche Projekt Nord Stream 2 besteht ebenfalls aus zwei Röhren und läuft geografisch etwa parallel. Die Verlegearbeiten des ersten Stranges wurden am 4. Juni 2021 abgeschlossen. 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas soll die Pipeline Nord Stream 2 pro Jahr von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern mitten durch die Ostsee transportieren.

Eigentümer und Betreiber der Nord Stream 1 ist die Nord Stream AG, deren Anteile von Gazprom (51 %), E.ON (heute Uniper), Wintershall (beide Deutschland), Gasunie, OMV (Österreich) und Engie (Frankreich; vormals GDF SUEZ S.A.) gehalten werden. Eigentümer der Nord Stream 2 ist die Nord Stream 2 AG, die vollständig zum mehrheitlich staatlichen russischen Gazprom-Konzern gehört.

Werden die gesamten Lebenszyklus Emissionen berücksichtigt, liegt die Klimabilanz bei hohen Leckage-Raten in der Förderung oder dem Transport ungefähr bei der von Kohle.

Unwirtschaftlich und unökologisch

Jedoch sei eine zusätzliche Leitung zur Sicherung der Erdgasversorgung in Deutschland und Europa laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung unnötig und wirtschaftlich unrentabel. Es besteht weder kurz- noch langfristig eine Deckungslücke für Gas. Die bestehende Gas-Infrastruktur deckt den aktuellen und zukünftigen Bedarf.

Vielmehr drohen durch Nord Stream 2 gefährliche Lock-in-Effekte, die den Ausbau erneuerbarer Energien verzögern werden. Gas als eine klimafreundliche Brückentechnologie ist ein Mythos. Das Gegenteil sei der Fall. Durch die Methanemissionen bei Förderung, Transport und Nutzung sei Erdgas ein Klimakiller, genau wie Kohle. Erdgas besteht zu fast 100% aus Methan (CH4), was ein potentes und aggressives Treibhausgas ist, dessen Treibhauspotenzial mehr als 100-mal stärker als das von CO2 ist. Werden die gesamten Lebenszyklus Emissionen berücksichtigt, liegt die Klimabilanz bei hohen Leckage-Raten in der Förderung oder dem Transport ungefähr bei der von Kohle. Angesichts der bereits fortgeschrittenen Ansammlung von Treibhausgasen in der Atmosphäre kann der Ausbau neuer Gas-Infrastruktur im ungünstigen Fall das Erreichen von Kipppunkten im Klimasystem beschleunigen, was den Klimazielen von EU deutlich widerspricht. Die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen 2015 führen eindeutig dazu, dass keine fossile Infrastruktur – und damit auch keine Erdgasinfrastruktur mehr errichtet werden darf. Wir müssen aller spätestens bis 2050 aus den fossilen Energien aussteigen. Das neue Gasterminal wird aber frühestens im Jahr 2025 fertig gestellt. Das wird sich nie amortisieren. Statt Milliarden Euro einer rückwärtsgewandten Technologie einzuführen, sollte Deutschland lieber zukunftsfähige und umweltfreundliche Projekte finanzieren.

Große Schaden für die Meeresökosysteme

Naturschutzorganisationen Europas sind besorgt – falls das Projekt umgesetzt wird, wird Deutschland die in dem Pariser Klimaabkommen 2015 beschlossenen Ziele nicht mehr erreichen können. Deutschlands gebrochene Verpflichtungen werden katastrophale Folgen für die Umwelt haben und die ersten Anzeichen davon sind jetzt schon zu spüren. Die Problematik der Verunreinigung durch Leckage war bereits aus dem ersten Projekt Nord Stream bekannt. Schon damals musste die Feuerwehr Strände von Schmierfetten reinigen. Zurzeit scheint Nord Stream 2 gehofft zu haben, ähnliche Vorfälle vertuschen zu können. Laut Landesumweltministerium hatte der Pipelinebauer bei einem Baggerschiff Unregelmäßigkeiten festgestellt, die zu Schmierfett-Verunreinigungen führen können. Das wurde nicht an die zuständigen Behörden gemeldet, sondern lange verschwiegen. Außerdem werden beim Bau der Pipeline hochgiftige Chemikalien verwendet, die Gesundheit der Menschen und Meerestiere beeinträchtigen.

Seit 2018, als mit dem Projekt begonnen wurde, bewertete der Naturschutzbund Deutschlands das Projekt kritisch. Die Trassenführung durch fünf Meeresnaturschutzgebiete führt zu irreparablen Schäden der empfindlichen Meeresumwelt der Ostsee. Typische Lebensräume sind gefährdet oder schon gänzlich verschwunden – und das ohne triftigen Bedarf, denn in Deutschland besteht es weder kurz- noch langfristig eine Deckungslücke für Gas.

Kampf mit der Kohle ist noch nicht hinter uns – jedoch werden wir schon mit dem nächsten Klima-Killer konfrontiert. Die Regierungen müssen verstehen – wir brauchen Taten, keine Worte. Wir fordern sofortigen Austritt Deutschlands aus dem Projekt Nord Stream 2 und stattdessen mehr Investition in die zukunftsfähigen Projekte.

Lobbymächte

Die Pipeline Nord Stream 2 ist nicht nur ein extrem umweltschädliches Projekt, es ist auch ein Beispiel für die innigen Beziehungen zwischen Bundesregierung und Lobbymächten der Erdgasbranche. Eine Studie von LobbyControl und Corporate Europe Observatory zeigt, wie die Bundesregierung regelmäßig die Interessen der Konzerne durchsetzt. Zum Beispiel, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hinter verschlossenen Türen mit der Gasindustrie verhandelt, dass der fossile Energieträger als Übergangstechnologie bei der Energiewende eine wichtige Rolle spielen soll. Bei der Schätzung des Gasbedarf griff man dabei auf die überschätzten Zahlen von Nord Stream 2 zurück, anstatt sich auf die von der Bundesregierung beauftragten Recherchen zu stutzen.

Deutschland setzt sich deshalb für Nord Stream 2 ein, weil Gasprom beste Verbindungen in höchste politische Kreise hat. Zu den prominenten Beispielen zählt der Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der sowohl ein Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG ist, als auch Aufsichtsratsvorsitzender beim russischen Ölkonzern Rosneft. Ein weiterer Fall ist Marion Scheller. Die ehemalige Referatsleiterin im Bereich Energiepolitik im BMWi wurde im September 2016 Cheflobbyistin bei Nord Stream.

Der angebliche „Dialogprozess“ Gas 2030, der von der Deutschen Energie-Agentur Dena organisiert wurde, spielte sich in den ersten Monaten vollständig hinter verschlossenen Türen ab. Die Treffen von Unternehmenslobbyist*innen und Beamt*innen fanden statt; nicht einmal das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit war eingeladen. Im Auftrag des Umweltbundesamts durchgeführte unabhängige Studie floss nicht in den Dialogprozess ein, weil sie zu dem Schluss kam, dass bei Einhaltung der Klimaziele der Gasbedarf zurückgehen werde. Darüber hinaus wird der aus fossilem Erdgas hergestellte „blaue Wasserstoff“ in dem Bericht des Dialogprozess als CO2-neutral bezeichnet und zur Nutzung empfohlen, einschließlich der riskanten CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS).

In der Zeit der Klimakrise sind wir, meiner Meinung nach, dazu verpflichtet, uns mit solchen Themen zu befassen. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden die Zukunft unserer Kinder direkt beeinflussen. Es ist unsere Verantwortung, von den Politiker*innen zu verlangen, dass solche naturzerstörende Projekte sofort gestoppt werden! Mehr Entscheidungsmacht für die Wissenschaftler*innen und die Menschen, weniger für die Lobbymächte!

Quellen

Titelbild: Ulrich Baumgarten, Getty Images

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Reisen

Bangkok, Thailand

Welche Art von Reise passt zu Ihnen? Gehören Sie zu den Menschen, die sich gerne am Strand sonnen, oder zu denen, die den ganzen Tag mit einer Kamera in der Hand durch die überfüllten Straßen streifen? Halten Sie den Atem im Angesicht des architektonischen Erbes an oder vielmehr vor der Dicke des wilden Dschungels, in den kaum ein Mensch betreten hat? Interessieren Sie sich für einen Familienurlaub oder suchen Sie Nervenkitzel hinter den Türen von Stripbars und Massagesalons? Tatsächlich spielt es keine Rolle, zu welcher Kategorie Sie gehören. Denn hier wird jeder etwas für sich finden und, glauben Sie mir, Sie werden voller unvergesslicher Eindrücke nach Hause zurückkehren! Ich habe diese eher spontane Reise von der Millionenstadt Bangkok aus begonnen. Ich weiß, dass die meisten Touristen das sonnige Patagonien oder die Inseln im Süden bevorzugen, aber wenn Sie bereits so weit gereist sind, sollten Sie die Gelegenheit, die Hauptstadt zu besuchen, nicht vernachlässigen.

Kurz vor meiner Ankunft fand ich eine Unterkunft auf Couchsurfing. Die Idee von Couchsurfing ist, dass Einheimische Touristen einen Schlafplatz bereitstellen. Die Idee von Couchsurfing geht aber noch viel weiter, es soll ein Austausch der Kulturen stattfinden. Hosts zeigen ihren Gästen die Stadt sowie das Leben in ihr und die Gäste revanchieren sich beispielsweise mit einem selbst gekochten Essen aus der Heimat und dadurch, dass die bei sich zu Hause ebenfalls ein Sofa sowie Zeit für Couchsurfing-Gäste bereitstellen.

Schon der Weg zur U-Bahn-Station, an ich von meinem Gastgeber abgeholt werden sollte, war ein kleines Abenteuer. An der U-Bahn-Station wartete ein lächelnder, freundlicher jungen Mann auf mich, der mich auf sein Motorrad setzte (mit einem Koffer auf meinem Schoß!) und mich zu sich nach Hause fuhr. Zu sagen, dass mich neue Eindrücke von der ersten Minute in Bangkok an überwältigten, bedeutet nichts zu sagen. Nehmen wir zumindest die Tatsache, dass ich zum ersten Mal Motorrad gefahren bin (obwohl es tatsächlich das zweite Mal war, weil es das erste Mal ein „Motorrad-Taxifahrer“ war, der mich von der Bushaltestelle zur U-Bahn-Station gefahren hat) Anfangs hatte ich Angst, auf ein Motorrad zu steigen, schließlich habe ich das noch nie zuvor gemacht! Dann haben mich die Leute ausgelacht, denn ein Motorrad in Thailand ist wie ein Fahrrad in den Niederlanden: ohne geht nichts. Also gab ich irgendwie nach und ließ mich in das Fahrzeug setzen.

Hier sind wir – Tans Zuhause. Dort lebte eine wundervolle Familie, die trotz der Sprachbarriere sehr freundlich zu mir war. In seiner Freizeit zeigte Tan mir die Stadt, wir feierten zusammen Weihnachten und er half mir mich in diesem unbekannten Land zurecht zu finden. Wir haben viel geredet und die Kulturen des anderen kennengelernt. Und mir wurde klar, wie cool es ist, Sprachen zu kennen und mit Menschen aus anderen Teilen der Welt kommunizieren zu können. Schließlich hatte ich keine Angst mehr vor dem Motorrad und fing an, es zu genießen, während Tan auf der Strecke zwischen den Wolkenkratzern schneller wurde und zwischen Autos von Spur zu Spur sprang.

Mein erster Tag in Bangkok. Ich konnte gar nicht anders als überrascht sein und kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Solche architektonischen Strukturen finden Sie nirgendwo mehr. Meine unbestrittenen Favoriten waren die Tempelanlagen von Wat Po und Wat Arun sowie der Große Palast. Wenn Sie durch die Stadt spazieren, finden Sie viele andere Gebäude, die durch ihren Reichtum beeindrucken, riesige goldene Buddhas, Mosaike aus farbigen Spiegeln, verzierte Drachen, Riesen und andere Fabelwesen. Mein Rat an Sie: Wenn Sie nach Thailand gehen, bringen Sie leichte Kleidung mit, die Schultern und Knie bedeckt. Nur dann dürfen Sie Tempel besuchen.

Religion und Spiritualität nehmen einen wichtigen Platz im Leben der thailändischen Bürger ein. Im Gegensatz zu europäischen Ländern, in denen sich immer mehr junge Menschen mit Religion nicht mehr viel anzufangen wissen, gedeiht hier die Religion und hält mit der Zeit Schritt. Es gibt viele Mönche auf den Straßen, die leicht an ihren orangefarbenen Gewändern zu erkennen sind. Und es waren nicht nur ältere Männer, was mich sehr überrascht hat. Unter den Mönchen waren viele junge Männer und auch Kinder. Jeder Thailänder muss nicht nur in der Bundeswehr ausgebildet werden, sondern auch in einem Tempel. Die Leute sagen, dass nur eine solche Person ein richtiger Mann werden kann. Menschen, die ihr Leben Gott widmen, haben viele Vorteile und Nutzen: Sie zahlen nicht für den Transport, erhalten kostenlos Essen und vor allem – sie sind hoch angesehen und geschätzt.

Neben Buddhisten gibt es in Thailand viele Christen, einschließlich meiner Gastfamilie. Um die Traditionen zu bewahren, verbrachte ich Heiligabend in der Kirche, und wieder erwartete mich eine angenehme Überraschung. Winterabende in Shorts und T-Shirts zu verbringen, ist ein ungewöhnliches Phänomen. Was ich aber auf dem Kirchhof sah, hat mich bleibend beeindruckt! In der Nähe der Kirche, die sich am Ufer des Flusses befindet, stand ein riesiger Weihnachtsbaum, und Hunderte von Menschen tanzten energischen Swing um ihn herum! Nun, Tan und ich waren keine Ausnahme. Es wurde laute Musik gespielt, Straßenessen außerhalb der Kirche verkauft, Wettbewerbe in Zelten abgehalten, wo Kinder versuchten, Preise zu gewinnen. So unerwartet können Sie beim Betreten der Kirche versehentlich auf die größte Open-Air-Party im Stil der vierziger Jahre stoßen.

Natürlich darf in meinem Reisebericht auch ein Abschnitt über die thailändische Küche nicht fehlen. Das Essen wird von süßen und würzigen Aromen dominiert. Kokosmilch und Zitronengras sind unverzichtbare Zutaten in vielen nationalen Gerichten. Und die Vielfalt der Früchte machte mich einfach verrückt! Obst in verschiedenen Formen, Farben und Größen verblüfften Touristen mit attraktiven Preisen. Aber kaufen Sie nicht zu voreilig, denn zuerst müssen Sie gut verhandeln – Sie profitieren davon, und Verkäufer verlieren nicht ihre Fähigkeiten. In den ersten Tagen, die ich in Bangkok verbrachte, gelang es mir, Kokosnusssuppe mit Pilzen, im Palmenblatt gebackenen Reis mit Banane Grasgelee in Milch, Chrysanthemensaft und vielen anderen seltsamen Dingen zu probieren, deren Namen ich noch nie gehört habe und an die ich mich wahrscheinlich nicht erinnern werde. Die einzigen Dinge, die ich nicht schmeckte, waren Skorpione, Raupen und andere Insekten. Wenn die Sonne untergeht und Straßen mit Essenständer und Souvenirs zum Leben erweckt werden, stellen einige Händler (insbesondere an touristischen Orten) ihre „Köstlichkeiten“ zur Schau. Ich habe sogar ein paar Mal ein Krokodil am Spieß gesehen, und es war ein trauriger Anblick. Wie mir mein neuer Bekannter vor Ort erklärte, essen Thailänder keine Skorpione oder Krokodile. Dies ist alles für Touristen gemacht. Hierher kommen verschiedene Stereotypen über Asiaten, die „alles essen, was lebt“. Wie es sich herausstellt, ist dies jedoch nicht immer der Fall.

Wenn Sie die Möglichkeit haben, gehen Sie ins Theater. Wenn ich in einem anderen Land bin, versuche ich immer, eine Oper oder ein Theaterstück zu besuchen, weil es uns viel über den Geist der Menschen erzählen kann. Und auch in Thailand hat mich diese Tradition nicht enttäuscht. Ich ging zu einem Stück über Ereignisse aus thailändischen Legenden. Ein Affe half Gott, eine Brücke über einen Fluss zu bauen, indem er eine Meerjungfrau überlistete. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele farbige und reich verzierte Masken gesehen. Und die Melodien der Lieder erfreuten mein Ohr mit ungewöhnlichen Motiven. Nachdem ich einige Tage hier verbracht hatte, beschloss ich, nach Kambodscha zu ziehen, wo meine Abenteuer fortgesetzt wurden. Aber darüber sowie über andere Städte in Thailand können Sie in den neuen Beiträgen lesen.

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Gesunder Nationalismus vs Tyrannei

oder
Was die Deutschen von der Ukrainer lernen können?

Ich möchte zunächst kurz etwas über mich erzählen. Ich heiße Iryna und komme aus Lviv in der Ukraine. In Lviv wurde ich geboren und dort bin ich aufgewachsen, aber für mein Studium bin ich nach Karlsruhe gezogen. Ich liebe mein Mutterland, die gutmütigen Menschen, die reichhaltige Kultur und die melodische Sprache. Ich bin glücklich darüber genau hier und frei geboren worden zu sein. Und darüber, dass ich die Chance hatte die ukrainischen Kunst, den unzerstörbaren Geist und das unüberwindbaren Verlangen nach Freiheit kennenzulernen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich daran denke, dass mit der russischen Invasion vor sechs Jahen das friedliche Leben einigen unserer Gebieten ein Ende gefunden hat. Mein Herz blutet, wenn ich Geschichtsbücher lese. Vielleicht ist das der Grund, warum ich – wie viele Ukrainer:innen – den Wunsch nach Bewahrung der Kultur und nationalem Würde als einen Schlüssel zum Erlangen von Freiheit und wahrer Unabhängigkeit sehe.

In Deutschland wird darüber nicht gesprochen

Als ich nach Deutschland kam, hat mich eine Sache überrascht. Die Menschen hier haben Angst über Patriotismus zu reden. Die abscheulichen und schrecklichen Taten von Nazi-Deutschland im letzten Jahrhundert sind kein Geheimnis. Das ist der Grund warum das Wort “Nationalismus” bei den älteren unangenehme Erinnerungen hervor ruft und bei der Jugend eine unerträgliche Scham gegenüber dem Ruf ihres Landes erzeugt. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bürger bezeichnet sich hier als Patrioten und das sind die Menschen, die sich von der „Politik“ Hitlers nicht distanzieren. Sie werden wohl von der Alternative für Deutschland und ihrer Postion am rechten Rand gehört haben. Ihre Repräsentant:innen versuchen alles um Deutschland vor Ausländern zu “retten”. Sie verweigern ihnen essentielle Menschenrechte und verwehren Flüchtenden die Aufnahme in Europa. Flüchtenden, die ihre Leben im Mittelmeer riskieren, um aus Ländern in denen Krieg, Hunger und Tyrannei an der Tagesordnung ist, zu fliehen.

Unvorstellbare Heuchelei strömt aus ihren Lippen, während Deutschland – wie fast alle europäischen Länder – auf Migranten angewiesen ist, die vor allem in der Landwirtschaft arbeiten. Die Ausbreitung des Coronavirus hat vor kurzem deutlich gemacht, wie wichtig diese Menschen für die Funktionsfähigkeit des alltäglichen Lebens und die Aufrechterhaltung der Lieferketten für das Notwendigste sind. Dennoch werden diese Menschen nie ein Wort des Dankes von AFD hören. Einige Anhänger haben hingegen eine Vergangenheit in Neonazi Gruppen, die für Angriffe auf Ausländer und das verursachen von Disharmonie und Chaos in der Gesellschaft verantwortlich sind.

Das ist das Bild, welches die Deutschen vor Augen haben, wenn sie an Nationalismus denken. Die AfD und Gleichgesinnte nennen sich schamlos wahre Patrioten, diffamieren damit das Bild des Mutterlands und bereiten den Boden für brutale Übergriffe. Keine Person, die wenigstens ein bisschen gesunden Menschenverstand hat, würde sich in diesem Klima selbst als Patriot bezeichnen. Über Liebe zur eigenen Nation wird geschwiegen und sie wird gewissermaßen gefürchtet. Die Deutschen bevorzugen das Wort “Internationalist”.

Es ist so falsch und widerwärtig, dass etwas so schönes, natürliches und wertvolles wie die Liebe zum Mutterland Scham hervorruft.

Patriotismus ist keine Tyrannei, sondern Liebe

Meiner Meinung nach ist es für diese Rassisten an der Zeit, die Augen zu öffnen und sich der Wahrheit zu stellen: Sie sind keine Patrioten, nur Abschaum und Außenseiter. Glücklicherweise sind sie zu klein und machtlos, um tatsächlich einen Wandel zum Schlechten zu bewirken und niemand kooperiert mit ihnen. Endlich ist es vorbei mit dem Verstecken hinter trügerischen Slogans! Ich möchte, dass die Deutschen sehen, was ich sehe. Wenn ich eine Deutsche wäre, wäre ich stolz auf dieses Land. Ich bin schon stolz nach fünf Jahren hier. Ich liebe Deutschland, weil es eine Menge zu lieben gibt. Nein, nicht für diesen Haufen jammernder Bastarde, die schon bald jeglichen Respekt und alles Vertrauen verlieren werden. Sondern für die gerechte Gesetze, saubere Straßen und erhaltene Natur. Für die Demokratie, blühende Wissenschaft und Toleranz. Für eine moderne Gesellschaft, die über Gerechtigkeit und Humanität wacht und die Fehler der Vergangenheit anerkennt. Deshalb sollten die Deutschen erhobenen Hauptes voranschreiten und nicht verzagen. Genau wie die Ukrainer:innen haben sie ein beeindruckendes kulturelles Erbe. Außerdem floriert hier die Industrie, sie kämpft nicht nur ums Überleben. Die große Anzahl an Flüchtlingen und Einwanderern ist ein Beweis dafür. Wie viele Menschen konnten hier Schutz und Perspektive finden! Wie viele Akzente kann man auf der Straße im modernen Deutsch hören, wie viele Merkmale verschiedener Nationalitäten kann man auf den Straßen sehen! Ist es nicht wunderbar? Es gibt eine Sache die alle Menschen vereint: Dankbarkeit gegenüber Deutschland für die Chance ein neues Leben zu beginnen und der Wille, dieses Land noch erfolgreicher zu machen.

Sie sehen also, wahrer Patriotismus vereint uns. Wir sollten Immigration nicht ablehnen, sondern der Welt zeigen, dass unsere Heimat gastfreundlich ist, dass wir immer etwas zu bieten haben für jeden der sich dafür interessiert. Die Tatsache, dass eine Menge Leute Deutsch lernen und am Wohlergehen dieser Nation arbeiten, bedeutet, dass dieser Staat gedeiht und modern ist. Deutschland ist eines der fortschrittlichsten Länder der Welt und zeigt welche politischen Reformen durchgeführt werden müssen, um ein demokratischer europäischer Staat zu werden. Sagen Sie mir, ist das nicht ein Grund stolz zu sein?

Deutsche Patrioten, ich appelliere an euch! Wenn ihr schmerzendes Herzens auf euer Land schaut, gaubt nicht, dass die AfD eure Interessen vertrete. Erlaubt diesen Banditen nicht das Ansehen der Nationalisten zu beschädigen. Steht auf und reden frei über die Liebe zu eurem Land! Nein, nicht auf das Deutschland welches Hitler gefolgt ist (ihr seid nicht verantwortlich für die Fehler eurer Vorfahren) sondern für das tolerante und so vielfältige Deutschland, das wir heute haben. Niemand sollte rassistisch, auf Grund von Nationalität, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Religion diskriminiert oder verachtet werden.

Revolution der Würde

Lassen Sie mich zur Ukraine zurück kehren. Ich komme aus dem westlichen Teil des Landes, wo die Menschen für ihren Patriotismus bekannt sind. Die Bürger von Lviv und vielen angrenzenden Städten lehnten schon vor der Revolution der Würde die pro-russische Politik Yanukovytschs scharf ab. Aber an dem Tag, als der ehemalige Präsident das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterschrieb, demonstrieren wir alle zusammen auf dem Maidan – Ost und West, Nord und Süd. Unser patriotische Geist brachte die Menschen einmal mehr zum Kampf gegen die Diktatur. Wir wollten Demokratie und europäische Reformen trotz und wegen der Schwäche und Korruption unserer Behörden. Wir Ukrainer:innen tragen schon immer demokratische Werte in unseren Herzen.

Foto: Iryna Yaminska

Nach einem brutalen Massaker an friedlich Protestierenden stieß Yanukovych auf noch mehr Widerstand und floh aus dem Land. Die russischen Medien “nutzten” diesen Augenblick um Fake-News über einen angebliche Machtübernahme der Nazis in der Ukraine zu verbreiten. Bis zum heutigen Tage vergleichen diese Medien die Maidan Demonstranten mit Banditen. Warum? Weil wir Freiheit und Demokratie wollten? Weil unsere Absichten nicht zu ihrer invasiven Politik passten? Russlands Behörden verwandeln ihre Bürger vor den Fernsehbildschirmen in Zombies und schwelgen noch heute in Nostalgie über ihre „Erfolge“ im 2. Weltkrieg. Wer sich ihnen entgegenstellt ist ein Nazi. Das ist die Rhetorik von Russland. (Wie ironisch, wenn man bedenkt, dass die russische Politik unter AfD Anhängern sehr beliebt ist)

Schlussendlich konnten die russischen und pro-russischen Medien mit Lügen über „Kyiwer Nazis“, „Banderivtsi“ und „Kannibalen die russische Babys essen“ einige Bewohner der Ost-Ukraine davon überzeugen, dass das Leben unter der Herrschaft des Kremls besser sein würde. Mit der Annexion der Krim und der Invasion östlicher Gebiete der Ukraine begann Putin einen zwecklosen Krieg, in welchem sein 2014 schon mehr als 14.000 ukrainische Soldat:innen und Zivilisten umgekommen sind.

Mit dem Begriff „Ukrainische Nationalisten“ säten die russischen Medien Zweifel und versuchten die europäische Staatengemeinschaft gegen uns aufzubringen. Aber lassen Sie mich, ein Mensch geboren im Herzen des ukrainischen Patriotismus, der diese Mentalität absorbiert hat, Ihnen eines über unseren Nationalismus erzählen. Ohne die Patrioten wäre es nicht zur Revolution der Würde gekommen. Die Ukraine wäre längst zu einer russischen Kolonie und der Weg in die Europäische Union für immer versperrt worden. Russische Propaganda, sei sie noch so einflussreich, kann nicht von dem Fakt ablenken, dass die Menschen auf dem Maidan, diese Nationalisten, für demokratische Werte standen und stehen. Sie wollten leben wie in Deutschland. Diese „Banderivtsi” starben durch Geschosse von Scharfschützen, nur weil sie ein teil der EU sein wollten. Die Älteren und die Jugend, Menschen verschiedener nationaler Minderheiten, vereinten sich nicht, um jemanden an die Spitze der Macht zu drängen, sondern für eine Herrschaft der Gerechtigkeit in unserem Land. Wir taten dies, aus Liebe zu unserer Ukraine, die wir befreit vom Einfluss der Aggressoren sehen wollten.

Wir lieben unser Mutterland aus den selben Gründen aus denen wir unsere Eltern lieben. Viele meiner deutschen Freunde sagten mir: „Wir müssen uns um die ganze Welt kümmern und uns nicht auf unser Land konzentrieren“. Ja, dem kann ich zustimmen, aber haben wir nicht zu aller erst gelernt unsere Mutter zu lieben, bevor anfingen, die anderen zu lieben? Ebenso kann man die Welt nicht lieben, ohne deren Teil zu lieben, an dem man aufgewachsen ist. Das ist das einzige und wahre Zeichen eines gesunden Nationalismus. Alles andere ist Tyrannei.

Schließlich, wenn Sie bis hierher gelesen haben, hoffe ich, dass ich die Lügen der russischen Progpaganda über uns, ukrainische Patrioten, zerstreuen konnte. Die Europäer haben keinen Grund, sich vor uns zu fürchten. Sind es doch wir, die mehr als jeder andere von der Europäischen Union träumen. Besonders in Lviv, wo neben einer blau gelben Flagge immer auch eine blaue mit einem Kreis aus Sternen weht. Die Menschen hängen diesen von ihren Balkonen in der Hoffnung, eines Tages Teil jener Gesellschaft zu sein, in der die Menschenrechte das höchste Gut sind.

Ich werde immer stolz meine Flagge tragen. Nicht gegen jemanden, sondern Hand in Hand mit all den anderen einzigartigen und verschiedenen Nationen. Ich glaube daran, dass wir zusammen eine bessere Zukunft aufbauen können, in es keinen Platz für Unterdrückung, Diktatur, sinnlose Kriege und Machtkämpfe gibt, sondern Liebe, Freiheit und Brüderlichkeit regiert.